Gerade in Zeiten der Ungewissheit und der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und menschlichen Umbrüche ist es in vielerlei Hinsicht gut die Fertigkeit eines Jahrtausende alten produzierenden Handwerks zu können. Das gibt innere Stabilität und äußere Orientierung. Wenn es innerlich eng wird – zum Beispiel durch Unsicherheit, Durcheinander oder äußere sich stark ändernde Faktoren ist eine Fähigkeit gefragt: den Fluß der eigenen Stärke zu speisen. Mit dem dualen Programm Handwerk und persönlich – gesellschaftliche Entwicklung ist das nachhaltig und relativ zügig möglich.
Viele Jahre habe ich intensiv mit Menschen gearbeitet. Schon als Jugendliche war ich als Begleiterin von Kindern auf Ferienlagern mit dabei, dann als Betreuerin in Jugendwohngruppen, als pädagogische Leiterin von Einrichtungen bis hin zur Arbeit in der psychotherapeutischen Praxis. Ebenso in Unternehmen, die ich geleitet oder andere UnternehmerInnen beraten und begleitet habe. Im Rahmen meiner Ausbildungen habe ich großartige Methoden, Werkzeuge und Haltungen gelernt, die ich sehr schätze, die ich nutze und für die ich sehr dankbar bin. Alle diese sind auf Kommunikation, Reflexion, Denken und „Trockentraining“ ausgelegt und finden gewissermaßen in theoretischen Räumen statt – das kann für vieles passen – mir fehlte jedoch bis vor ca. 5 Jahren etwas Wesentliches.
Die Nutzung des Daumens
Mir fehlte in meiner Arbeit mit Menschen ein Entwicklungsraum, wo der Mensch, gerade in Zeiten der fortschreitenden Digitalisierung, wieder über die praktische Tätigkeit mit seinen Händen Selbstwirksamkeit und Zufriedenheit erlebt. Ich denke wir haben den Daumen nicht nur deswegen entwickelt bekommen, damit wir mit dem 10-Fingersystem auf Tastaturen schreiben können. Also der Weg vom digitus das aus dem lateinischen kommt und Finger bedeutet zur manus, ebenfalls aus dem Lateinischen, das Hand bedeutet. Denn für die umfängliche Entwicklung des Gehirns, der Körper- und Sinneswahrnehmungen und der Emotionen braucht es auch die Hand und die damit verbundene Mehrdimensionalität. Die Nutzung der eigenen Hände, egal ob beim Schreiben oder ob grob- oder feinmotorisch über Generationen zu vernachlässigen finde ich nicht nur menschlich, sondern auch wirtschaftlich strategisch sehr unklug.
Das Handwerk als reale Bedrohung
Gerade in meiner letztjährigen beruflichen Tätigkeit mit dem textilen Handwerk habe ich in der praktischen Arbeit regelmäßig erfahren, dass sehr viele Menschen eine große Hürde verspüren mit ihren Händen ein Werkstück zu produzieren. Schlagartig können eine Handspindel und ganz reale Schafwolle aus der Region zur Bedrohung werden oder ein Gefühl der inneren Beklemmung und Angst auslösen.
Vielleicht ist es die Angst zu versagen, es nicht zu können, nicht erfolgreich zu sein, zu scheitern oder bei so einer „niederen“ oder „scheinbar weiblichen“ Tätigkeit gesehen zu werden. Wir sind es nicht mehr gewohnt mit unseren Händen Materialien anzugreifen und mit ihnen Werkstücke zu produzieren, die wir tagtäglich selbstverständlich nutzen. Menschen, auch viele Männer, die sich dann doch trotz dieser Irritation auf das Handwerk eingelassen haben, aber auch jene, die sowieso etwas Neues lernen wollten, haben großartige Erfahrungen gemacht. Das konnte ich in ihren Gesichtern, ihrer Körperhaltung und in der Kommunikation mit anderen lesen.
Ein Handwerk lernt man nur halbwegs zufriedenstellend, wenn man übt, also immer wieder versucht und Abläufe wiederholt. Bis fließende und selbstverständliche Prozesse entstehen. Dabei passiert im Gehirn und im Körper ganz viel. Man muss sich eine Zeitlang nur auf das Handwerk konzentrieren. Vergisst dabei ganz seine üblichen Denkmuster.
Neue Bahnen
Beim handwerksgestützten Entwicklungsansatz gibt es auch Zeit zum Reflektieren, was da gerade abgelaufen ist und was das mit einem selber macht. Dann übt man wieder um das Handwerk noch besser, noch flüssiger zu können. Freude entsteht und Freude wächst. Und dann hat man noch zusätzlich das erste fertige Produkt in den eigenen Händen das man selber gemacht hat. In diesem Produkt liegt dann die Geschichte, von der anfänglichen Hürde vielleicht nicht zu genügen, zu scheitern, nicht fähig zu sein über das Üben, das Machen von Fehlern, das Lernen, das weiter Üben das Machen von Erfahrungen wie es besser geht bis hin zur Geschichte, dass es gut geht, dass es läuft, wie am Schnürchen – wie es im Falle des Spinnens im wahrsten Sinne des Wortes ist. Dieser Ablauf bahnt im Körper, im Gehirn und in den individuellen Fähigkeiten neue Bahnen, die den Fluss der Stärke, der Klarheit und der Kompetenz einprägen und Blockaden vielleicht sogar unbemerkt auflösen.
Handwerk als Chance
Handwerk spielt sich vor allem im und mit dem Körper ab und während man sich auf das Erlernen eines Handwerks konzentriert, das meist eine ganz neue und strukturierte Herangehensweise fordert, werden automatisch bekannte Gedanken- und Handlungswege verlassen und neue begangen und entwickelt. Mit Reflexionen und dem bewussten Setzten von Ankern werden diese neuen Kompetenzen ganz einfach in den Alltag – privat und beruflich transportiert.
Handwerk bietet auch eine wirtschaftliche Chance. Es wäre in unser aller Sinne, wenn wir die Werkbänke wieder in den eigenen Lebensräumen aufbauen und aus anderen Kontinenten zurückholen. Das sorgt für Gesundheit und Vitalität von Mensch, Wirtschaft, Natur und Tier. Mit dem handwerksgestützten Ansatz können wir uns als einzelner Mensch und als Gesellschaft wieder an diesen realistischen Lösungsweg herantasten und uns aktiv an ihn gewöhnen.
Die Technik des handwerksgestützten Entwicklungsansatzes kann für sich selber und für die Arbeit mit Menschen gelernt und genutzt werden. Heutzutage ist es etwas Besonderes ein Jahrtausende altes Handwerk selber ganz praktisch ausführen zu können und auch anderen weiter geben zu können. Zudem schöpft man damit Routine, Dinge wieder selber in die Hand zu nehmen und nicht darauf zu warten bis sich etwas ergibt.
Erfahrung schafft Wirklichkeit
Fünf in eins: Handwerk | Natur | Praxis | Technik | Produkt
Hast du schon den Workshop Spinnen 5.1 selber erlebt und willst damit weiter machen? Dann setze dich mit mir in Verbindung, vielleicht wollen das ja auch andere und wir machen da die eine oder andere gemeinsame Spinnstube dazu.
Du hast Spinnen 5.1 nicht selber erlebt und dein Interesse ist geweckt und du möchtest es selber ausprobieren? Das ist sehr zu empfehlen, denn Erfahrung schafft Wirklichkeit.
Oder dein Interesse daran ist genauso so groß die deine Angst davor – dann spring! Du wirst es nicht bereuen. Du wirst beim Landen festen Boden unter deinen Füßen haben.